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Blasen in B, Es und G

Einfach mal in eine Trompete oder Posaune hineinpusten – heraus kommt ein Ton B. Probierst du dasselbe aber mit einem Horn oder dem kleineren Bass ergibt sich ein Es. Die deutschen Bläser lesen in den Noten ein C und spielen auch ein C, die Schweizer Brass Bands sehen in ihren Noten (das sind die schwarzen Punkte auf den weissen Blättern!) ein C und heraus kommt ein B. Ein furchtbares Durcheinander, wer soll da noch klar kommen? Und nun kommt Corona und plötzlich wird in G geblasen, sogar in 3G!

Die wechselnden Auflagen und Vorgaben machen es den Blasmusikgruppen nicht einfach um zu planen, zu üben und Auftritte durchzuführen. Vieles musste abgesagt, angepasst, nach draussen verlegt werden. Kann unter solchen Umständen überhaupt ein Konzert durchgeführt werden? Ja, es ist möglich, aber eben mit 3G.

Die Evangelische Brass Band Interlaken zusammen mit dem Posaunenchor Spiez hat das Risiko in Kauf genommen und Adventskonzerte unter dem Regime 3G geplant, eingeübt und auch durchgeführt. Nach einer Sommerpause trafen sich die Bläser draussen unter einem Vordach des Jungfrauparks, spielten Ständli in Altersheimen und in der Bucht Spiez vor freudigem Publikum und machten sich ans üben. „We have a Gospel“ bildete das Motto und die gute Nachricht von der Menschwerdung und Erlösungstat Christi sollte in Text und Musik verkündet werden. Ob Besucher unter solchen Umständen kommen würden, könnte die Register mit Geimpften, Genesenen und Getesteten abgedeckt sein, würden Solisten ausfallen, neue Massnahmen daran hindern, das Geübte auch vorzutragen?

Walter Liechti, der Dirigent, liess sich nicht unterkriegen und blies dem Verein den Marsch, nämlich den altbekannten, flotten, „Mountain Valley“. Ja, „Ev’ry time I feel the Spirit“ wehte durch die Reihen, Ventile und Füsse bewegten sich im Takt. Der Geist Gottes lässt sich nicht behindern. Auch die anfangs verrückt scheinenden Taktwechsel von „I love to sing“ ergriffen die Bläserinnen und Bläser und der Sound war einfach toll. Besinnlicher ertönte „Under Milliarde vo Sterne“ von Walti Dux. Als „Bhaltis“ duften am Ausgang alle Besucher eine süsse Milchstrasse, ein Milky Way aus dem Körbchen nehmen. Heutzutage spricht man Neudeutsch, Begriffe wie „Booster“ kannten wir letztes Jahr noch nicht und etwas ähnlich mutet das Arrangement von Frank Bernaerts an, der eine Melodie von Johannes Brahms aus der Sinfonie Nr. 1 in die Moderne übertrug. Dank der liebevollen und charmanten Moderation durch Ruedi Ritschard wissen wir nun, dass der klassische Komponist lange an dem Werk gearbeitet hat und Kritikern, die meinten, es sei von Beethoven abgekupfert, das Maul stopfte. Überhaupt, Sprüche wie „Wer ständig redet, hat nichts zu sagen.“ machen ein Konzert der EBI zu einem nachhaltigen Erlebnis. „Swing! Song! Merrily on high“ swingt beschwingt in die Adventszeit zur Suite „Joy to the World“. In „Standing somewhere in the Shadows“ lichtet sich der Nebel, das dänische Liebeslied „Alt legger for din Fot“ leitet über zum traditionellen „Stille Nacht“ im Kerzenschein.

Die Besucher der drei Konzerte in Krattigen, Spiez und Unterseen zeigten am Eingang freudig Zertifikat und Ausweis, liessen sich weder durch Schneeschauer noch andere missliche Umstände davon abhalten, wieder einmal ein richtiges Konzert zu geniessen und nicht nur vor dem flachen Schirm zu sitzen. Sie wurden von den Melodien mitgerissen und spendeten freudig Applaus. Auch in G lässt sich blasen, das Üben hat sich gelohnt.

 

Hanna Klenk